Die BALTIC BILLARD OPEN, oder: Das Einbein muss selber dran glauben...
Ich bin rechtsseitig beinamputiert und ich bin leidenschaftlicher Billardspieler. Das Gute daran: Diese Kombination passt. Das weniger Gute: Der Billardsport unterscheidet nur zwischen gesunden Menschen und Rollstuhlfahrern. Die haben sogar eine eigene deutsche Meisterschaft. Dazwischen gibt es nichts. Na ja, fast nichts. Eine kleine Gemeinde in Mitteldeutschland trifft sich regelmäßig, um an einem Wochenende die Landesmeister der Handicapler zu küren.
Und da bin ich hin und das habe ich mir angeschaut. Und das hat mich begeistert. Und die aus der Mitte haben gesagt, ich soll das auch im Norden machen. Tolle Idee, fand ich. Oder besser: Finde ich noch immer.
Also habe ich mich los gemacht und habe zuerst einen Partner gesucht, der mich unterstützt. Nicht finanziell, sondern mit seinem Know How rund um den Billardsport. Und den habe ich im Norddeutschen Billardverbband auch sofort gefunden. In Persona des Präsidenten Gottfried Ewert, genannt Frido. Frido organisiert das Billardgeschehen im Norden mit seiner Truppe. Blöd nur, dass die alle gesund sind und kein Handicap haben. Sagen sie.
Dann musste ein passendes Spiellokal her. Möglichst barrierefrei, behindertengerechten sanitären Anlagen und einem Hotel in der Nähe. An dieser Stelle hätte ich eigentlich schon das Projekt schließen können, da ich aber weiß, dass Menschen mit Handicap Kummer gewohnt sind, fand ich das Q-PUB Billardcafe in Hamburg-Wandsbek mit dem IBIS BUDGET direkt nebenan. Eine fast ideale Konstellation. 18 Tische, Fernseher, Beamer, W-Lan … alles vorhanden.
Frau Ingrid Körner, die Senatskoordinatorin für die Gleichstellung behinderter Menschen der Freien und Hansestadt Hamburg hat sich auch sofort bereit erklärt, die Schirmherrschaft zu übernehmen. Damit hatte mein Projekt nun auch den Segen der Politik.
Dann wollte ich noch ein richtiges Hamburger Idol für mein Turnier, denn Handicapbillard im Norden war bis dahin unbekannt. Oder besser: Mausetot. Und hier konnte ich den Carsten Pape für mich gewinnen. Carsten spielt zusammen mit Lotto im Volkspark immer HAMBURG MEINE PERLE, war Sänger von Clowns und Helden und ist aktuell unterwegs mit ELVIS und seinem neuen Projekt MORGEN. Das aktuelle Lied VIELEICHT haben wir dann mit Bildern von uns hinterlegt (danke an OSBURGFILM hierfür) und einen Trailer für das Turnier gebastelt. Schaut einmal rein, hört Euch den Text an. Es lohnt sich.
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So, damit war eigentlich alles fertig. Na ja, bis auf das Wichtigste: Ich brauchte noch Teilnehmer und –Innen, die das Ganze zu einem tollen Wochenende werden lassen sollte. Nur mit den arrivierten Handicaplern aus Mitteldeutschland alleine, macht das ja keinen Sinn, dafür muss man nicht nach Hamburg. Aber dabei haben wollte ich die natürlich auch. Aber eben auch andere Menschen mit Handicap.
Also bauten wir eine Internetseite www.handicapbillard.de als Anlaufstelle für alle Aktivitäten rund um Handicapbillard. Wir nutzten die sozialen Medien (https://www.facebook.com/Handicapbillard/) und machten die BALTIC BILLARD OPEN bekannt. Diverse Zeitungsberichte in den lokalen Medien über die Helden der BBO gab es genauso, wie Anmeldungen von Handicaplern, die wir noch gar nicht kannten.
Und so hatten sich dann 39 Handicapler angemeldet, einem fiel dann noch ein, dass er ja gar keine Zeit hatte, also wartete ich am Freitag gespannt auf das Eintreffen von diesen allen. Und womit ich nicht gerechnet hatte: ALLE erschienen. Alle freuten sich auf ein wunderschönes Wochenende mit viel Spaß mit den bunten Kugeln. Alle, das sind Menschen, die teilweise nur einen Arm haben, Opfer von Contergan sind, nur ein Bein haben, oder wo die Muskeln nicht mehr so wollen, oder die eine eklatante Sehschwäche aufweisen, oder, oder, oder. Alle haben eines gemeinsam: Einen GdB von mindestens 50 und ihr Handicap behindert sie beim Billardspielen.
Über zwei Tage duellierten wir uns. Erst im 8-Ball, dann im 9-Ball. Alle Spielstärken waren vertreten, Qualifizieren musste sich niemand, der olympische Gedanken wurde hier von uns gelebt. Und alle hatten ausreichend Spiele, auch wenn sich der eine oder die andere mit dem Gewinnen schwer getan hat.
Zu gewinnen gab es neben dem Titel „norddeutscher Meister“ noch wunderschöne Pokale (Unikate) und alle bekamen Medaillen vom Verband. Als wir am Sonntagabend auseinander gingen, waren fast alle zufrieden. Das Turnier war ein voller Erfolg und die Organisation richtig gut, zumal die neueste Technik zum Einsatz kam in punkto Livescore und Livestream.
Einig sind wir uns darüber, dass es eine Fortsetzung geben wird in 2017. Bis dahin werden wir Menschen suchen, die wie wir diesem wunderbaren Sport verfallen sind und sich in einem Turnier messen möchten. Und mit der Franz und Regine Frauenhoffer Stiftung haben wir einen rechtlichen und mentalen Rahmen, der uns bei diesem Weg begleiten und unterstützen wird.
Wer mehr Informationen haben möchte, der schickt uns eine Mail an torsten@handicapbillard.de, ich werde dann sehen, dass wir individuell die Möglichkeiten abstimmen, die jeder Handicapsportler braucht. Denn wir sind zwar alle einzigartig, aber Fakt ist auch, wie der Franz immer zu sagen pflegt: Gemeinsam geht’s leichter.