Thomas Schmidberger und Valentin Baus stehen genau da, wo sie immer hinwollten: Die beiden Para Tischtennis-Nationalspieler sind in ihren Wettkampfklassen die Nummer eins der Welt. Zur bevorstehenden WM im spanischen Granada vom 6. bis 12. November reisen beide als Favoriten im Einzel – doch sie träumen auch von einem gemeinsamen Erfolg.
Ein Tischtennisspieler kommt selten allein. Das Prinzip trifft seit Jahren insbesondere auf Thomas Schmidberger (31) und Valentin Baus (26) zu: Es vergeht kaum ein Tag, an dem die beiden nicht gemeinsam in der Tischtennishalle am Düsseldorfer Staufenplatz sind und sich gegenseitig zu Höchstleistungen animieren. „Mit Valle verbringe ich fast mehr Zeit als mit meiner Freundin“, sagt Schmidberger schmunzelnd. Seit mehr als sechs Jahren spielen und trainieren „Tom“ und „Valle“ gemeinsam beim Tischtennisrekordmeister Borussia Düsseldorf. In dieser Zeit sind sie persönlich gereift und haben es mit harter Arbeit und viel Fleiß geschafft, Weltklasse-Niveau zu erreichen. Neben ihrer Freundschaft haben die beiden auch zahlreiche gemeinsame Routinen entwickelt, wenngleich sie nicht in allem einer Meinung sind.
Wenige Tage sind es noch, bis die Para Tischtennis-Weltmeisterschaften in Granada beginnen. Bundestrainer Volker Ziegler hatte zum finalen Lehrgang vor dem Saisonhöhepunkt ins Deutsche Tischtennis-Zentrum in Düsseldorf eingeladen. „Der Lehrgang ist relativ individuell gestaltet. Jeder von uns hat den letzten Schliff bekommen, bevor es losgeht“, sagt Baus. „Jetzt in den Tagen vor dem Abflug nehme ich meinen Tischtennisschläger überhaupt nicht mehr in die Hand.“ Teamkollege Schmidberger hält es ähnlich. Erst am Wettkampfort sehe man beide wieder am Tisch. „Die Grundlagen haben wir über das Jahr bereits gelegt“, sagt der 31-Jährige. Vor allem Athletiktraining stand in dieser Saison häufiger auf dem Trainingsplan. Der Erfolg gibt ihnen Recht: Aktuell erleben sie einen Höhepunkt ihrer Karrieren.
Baus, der Gold bei den Paralympics in Tokio sowie die Wahl zum Para Sportler des Jahres 2021 gewonnen hat, ist bereits seit Juni dieses Jahres die Nummer eins der Weltrangliste in der Wettkampfklasse fünf. Deutscher Meister ist er kürzlich auch geworden. Thomas Schmidberger (WK3) durfte sich vor wenigen Tagen über die Nachricht freuen, dass er in allen drei Rankings (Einzel, Doppel und Mixed) als Weltranglistenerster geführt wird. Durch die Turniersiege bei den Slovenia und French Para Open haben sich beide in der Weltspitze festgesetzt. Druck spüren sie beide, er wirkt aber nicht negativ: „Der Fokus liegt seit Monaten auf der WM. Ich habe akribisch gearbeitet und viel trainiert. So wie die vergangenen Turniere für mich gelaufen sind, ist der WM-Titel schon das klare Ziel“, sagt Valentin Baus. China und Russland nehmen nicht teil, dennoch warten starke Kontrahenten aus aller Welt. Für Schmidberger dürften die zahlreichen zweiten Plätze seiner Karriere pure Motivation sein. Er holte 2018 und 2019 jeweils WM-Silber im Einzel, gewann Doppel-Silber bei den Paralympics in Tokio. „Ich habe bei der WM ein paar mehr Hühnchen zu rupfen als Valle. Wir haben beide alles investiert, damit wir in bestmöglicher Verfassung zur WM fahren können.“
Dass den gebürtigen Bochumer Baus und den Niederbayer Schmidberger einmal eine enge Freundschaft verbinden würde, war nicht unbedingt zu erwarten. Baus war als junges Tischtennistalent auch bekannt dafür, gerne mal länger auf einer Party zu bleiben. Im Spiel macht er sich seine Ausgeglichenheit und ein starkes Angriffsspiel zunutze. Schmidberger hingegen zeichnen Fokus und extremer Ehrgeiz aus. „Ich verzichte häufig auf Freizeit und Spaß. Ich neige auch zu Nervosität. Da kann ich mir noch etwas von Valle abschauen, der macht sich meist weniger einen Kopf.“ Mit den Jahren bei Borussia Düsseldorf und in der Nationalmannschaft hat sich das Duo, das dem Paralympicskader des Deutschen Behindertensportverbandes angehört, nicht nur sportlich weiterentwickelt. Aus den jungen Talenten sind gestandene Athleten geworden. Priorität hat der sportliche Erfolg, dafür sind beide nach Düsseldorf, in die Nähe der Tischtennishalle gezogen. Den Spaß am verbalen Schlagabtausch haben sie über die Jahre nicht verloren. „Wir teilen denselben Humor und ziehen uns gerne gegenseitig auf. Das weiß der andere aber zu nehmen. Wir sind schon sehr gute Freunde“, sagt Baus – und erhält zustimmendes Nicken seines Teamkollegen.
Auf einige Neuerungen bei der WM in Spanien (6. bis 12. November) muss sich das deutsche Nationalteam einstellen. Unter anderem fällt der Teamwettbewerb weg. Die 13 nominierten deutschen Athlet*innen treten im Einzel, Doppel und Mixed an. Schmidberger freut sich auf den neuen Reiz, den das Doppel mit sich bringt. Baus sieht die Reform eher kritisch, „weil der Teamwettbewerb sportlich betrachtet eine sehr spannende Wettkampfform ist“. Dennoch eint sie der gemeinsame Traum: im Doppel Seite an Seite um WM-Gold zu kämpfen.
Text: Jessica Balleer