Als der Vize-Weltmeister Graham Finlay aus Großbritannien über die Ziellinie gefahren ist und die Zeit des Führenden Matthias Schindler um 1,98 Sekunden verpasst hatte, da schrie der Deutsche den Jubel heraus: Schindler (C3) ist bei der Para Radsport-WM im schottischen Dumfries Weltmeister im Zeitfahren geworden. Damit hat sich der 41-Jährige einen lang gehegten Traum erfüllt. Maike Hausberger (C2) profitierte von der Panne einer Konkurrentin und bleibt Zeitfahr-Weltmeisterin. Ausnahmeathlet Michael Teuber (C1) überzeugte zudem und gewann Silber.
Die Zweirad-Fahrer*innen sind überaus erfolgreich in die Straßen-WM (9. bis 13. August) gestartet. Nach vier Medaillen am gestrigen Tag, konnten sie am Donnerstagmittag drei weitere beisteuern. Überwältigt war vor allem Matthias Schindler (41 / Regensburg / RV Union 1886 Nürnberg) als klar war, dass er als ältester Teilnehmer im Feld und nach drei Vize-Weltmeistertiteln neuer Zeitfahr-Weltmeister ist. In 22:50 Minuten absolvierte er die 17 Kilometer lange Strecke und siegte mit knapp zwei Sekunden Vorsprung. Ein Höhepunkt in seiner langjährigen Karriere: „Ich muss das erstmal in Ruhe verarbeiten, ich bin gerade wahnsinnig glücklich“, sagte Schindler. Der 41-Jährige hatte auf dem schwierigen Kurs mit zahlreichen hügeligen Passagen ein nahezu perfektes Rennen hingelegt – immer begleitet von Bundestrainer Gregor Lang, der ihm per Funk taktische Anweisungen gab. „Eigentlich lag mir die Strecke nicht besonders, die Vorbereitung war auch durchwachsen. Aber heute lief es richtig gut.“ Auch Steffen Warias (38 / Allschwil / BSV München) konnte zufrieden sein. Mit Platz vier fuhr er ein erfreuliches Ergebnis ein.
Die bislang überragende Athletin der Bahn- und Straßen-WM aus deutscher Sicht heißt Maike Hausberger. Drei Medaillen (Gold, Bronze, Bronze) hatte sie auf der Bahn in Glasgow bereits gewonnen. Im südlich gelegenen Dumfries, der „Königin des Südens“ genannten Stadt, krönt auch Hausberger sich – und zwar zur Königin der C2-Klasse. Profitiert hat im Zeitfahren von einer Reifenpanne der ärgsten Konkurrentin, Flurina Rigling (Schweiz). „Ich habe sie im Ziel weinen sehen, da hat sie mir von der Panne erzählt“, sagte Hausberger, die ihre Gegnerin gleich getröstet hat. „Es ist unfassbar schade für sie, aber so ist der Sport. Heute hatte ich das Quäntchen Glück.“ Hausberger hat innerhalb von acht Tagen vier WM-Medaillen geholt. „Keine Ahnung, wo ich die Kraft herhole. Ich fühle mich jetzt unfassbar müde. Nach der WM lege ich mich wahrscheinlich zwei Wochen ins Bett." Motivation für das C2-Straßenrennen am kommenden Samstag sei allerdings mehr als genug da, so die 28-Jährige.
Für den 55-jährigen Michael Teuber (C1) scheint es in seiner Paradedisziplin nach wie vor fast keine Grenzen zu geben. Teuber gelang bei der WM 2022 im kanadischen Baie-Comeau etwas Außergewöhnliches, als er den historischen elften WM-Titel in seiner Spezialdisziplin gewann. In Schottland wurde der fünfmalige Paralympicssieger nun Vize-Weltmeister (25:10 Minuten) und nimmt Silber mit nach Hause. Sechs Sekunden lagen zwischen ihm und dem Sieger Ricardo Ten Argiles (Spanien). Teubers Teamkollege Pierre Senska startete ebenfalls in der C1-Klasse. Er fuhr auf einen guten sechsten Platz (27:16 Minuten).
Nach dem achten von insgesamt zwölf Wettkampftagen auf der Bahn und der Straße bei den Para Radsport-Weltmeisterschaften in Glasgow und Dumfries hat das deutsche Team von Bundestrainer Gregor Lang bisher viermal Gold, sechsmal Silber und zweimal Bronze auf dem Medaillenkonto. Weitere Highlights am heutigen Donnerstag sind die Zeitfahr-Wettbewerbe.
Weitere Informationen gibt es auf der Veranstaltungs-Webseite.
Hier finden Sie Zeitpläne und Ergebnisse.
Text: Jessica Balleer / DBS
Der deutsche Kader für die Para Radsport-WM:
Straße:
Kerstin Brachtendorf (51 / Mending / BRSV Cottbus), Julia Dierkesmann (56 / Merzhausen / GC Nendorf), Angelika Dreock-Käser (47 / Bremervörde / BPRSV Cottbus), Andrea Eskau (52 / Apolda / USC Magdeburg), Maike Hausberger (28 / Trier / BPRSV Cottbus), Johannes Herter (39 / Lemgo / RSV Tempoliema), Maximilian Jäger (23 / Bad Kissingen /BPRSV Cottbus), Vanessa Laws (19 / Ludwigsfelde / BPRSV Cottbus), Jana Majunke (32 / Cottbus / BPRSV Cottbus), Vico Merklein (45 / Berlin / GC Nendorf), Thomas Schäfer (42 / Wernigerode / BPRSV Cottbus), Manuel Scheichl (41 / Rottenmünster / BVS München), Matthias Schindler (41 / Regensburg / RV Union 1886 Nürnberg), Pierre Senska (35 / Berlin / BPRSV Cottbus), Michael Teuber (55 / Tegernsee / BSV München), Steffen Warias (38 / Allschwil / BSV München), Annika Zeyen (38 / Hennef / SSF Bonn)