Knapp 300 Judoka aus 50 Nationen und ein umjubelter Heimsieg: Der Para Judo Grand Prix in Heidelberg wurde auch dank des famosen Erfolgs des wohnhaften Heidelbergers Lennart Sass zu einem wahren Fest des Judo-Sports. Auch Tabea Müller sammelte als Fünfte wichtige Qualifikations-Punkte für die Paralympics in Paris.
Lennart Sass grinste auch am Tag nach seinem großen Erfolg breit. „Punkte für die Paralympics-Qualifikation zu sammeln, ist das eine – aber die Konkurrenten zu schlagen, ist vor allem mental wichtig“, sagte der Heidelberger, nachdem er am Samstag den Para Judo Grand Prix für sich entschieden und dies am Abend in Frankfurt beim Ball des Sports gebührend gefeiert hatte. Der zweite Sieg bei einem internationalen Turnier gepaart mit seinem ersten Sieg über den Weltranglistenersten in seiner Heimatstadt, in der er auch lebt und studiert – besser hätte es für den 24-Jährigen in der J1 bis 73 Kilogramm kaum laufen können.
„Eigentlich war der Plan, den Rumänen Bologa erst in Paris zu schlagen. Dass das Lennart jetzt schon hier in Heidelberg vor heimischen Fans gelungen ist, ist natürlich der Wahnsinn“, freute sich Bundestrainerin Carmen Bruckmann nach dem Sieg des Judoka vom Rendsburger TSV von 1859. Besonders bemerkenswert: Sass trainiert erst seit eineinhalb Jahren im Kreis der Para Judo-Nationalmannschaft. Die regelmäßige gemeinsame Arbeit zahlt sich also aus, sagt Bundestrainerin Bruckmann.
Sass besiegt Nummer eins und zwei der Welt
Die Zuschauerinnen und Zuschauer im SNP dome sahen eine souveräne Vorrunde von Lennart Sass mit drei Siegen aus drei Kämpfen. Im finalen Vorkampf traf der Weltranglistendritte auf den aktuell Zweiten der Welt, Yergali Shamay aus Kasachstan. In einem packenden Duell war es letztendlich Sass, der sich mit einem Ippon den Finaleinzug sicherte. Im Finale wartete dann der Weltranglistenerste aus Rumänien, Florin Alexandru Bologa. Noch nie zuvor gelang es Sass, sich gegen diesen starken Gegner zu behaupten, doch beim Heimwettkampf erzielte er zunächst ein Waza-ari und beendete den Kampf schließlich mit einem Haltegriff.
„Hier in meiner Heimatstadt zu gewinnen, ist wirklich etwas Besonderes! Natürlich hofft man insgeheim auf so ein Ergebnis – doch dass es dann wirklich geklappt hat, freut mich sehr. Ich bin total stolz“, strotzte Lennart Sass vor Glück und ließ sich von den 30 bis 40 Leuten, die nur für ihn den Weg in die Halle gefunden hatte, ausgiebig feiern.
Tabea Müller Fünfte, Gehirnerschütterung bei Isabell Thal
Außer Lokalmatador Sass schaffte es noch eine Athletin in die Endkämpfe: Tabea Müller (J1 -48kg) erreichte als einzige die Finalrunde. Nach einem Sieg und einer Niederlage in den Vorkämpfen qualifizierte sie sich für den Kampf um den dritten Platz. Dort traf sie auf die Japanerin Shizuka Hangai, unterlag ihr jedoch nach einem Ippon und wurde Fünfte.
Die beiden Nachwuchstalente Isabell Thal (J2 -48kg) und Béla Heinze (J2 -73kg) erreichten die Endkämpfe nach jeweils einer Niederlage im Vorkampf nicht. Thal hatte sich im ersten Kampf eine Gehirnerschütterung zugezogen und musste deswegen sogar vom Teamarzt aus dem Wettkampf genommen werden. Unabhängig davon zeigte sich Bruckmann zuversichtlich: „Isabell und Béla sowie auch Tabea sind noch sehr jung, mit ihnen schauen wir eher in Richtung Los Angeles 2028. Alle haben noch großes Entwicklungspotential.“
Die beiden erfahrenen Para Judoka Nikolai Kornhaß (J2 -73kg) und Ramona Brussig (J2 -57kg) wurden Siebte und sammelten wichtige Punkte für die Paralympics-Qualifikation. Obwohl beide angeschlagen waren, ließen sie sich diesen besonderen Wettkampf nicht nehmen, zeigten gute Leistungen und wussten sich gegen starke Gegner*innen zu behaupten.
Am Sonntag kam Daniel Goral (J2 -90kg) erst kampflos eine Runde weiter, traf dann aber auf den starken französischen Weltranglistenersten und Europameister Helios Latchoumanaya, dem er nach Ippon unterlag. Zwar besiegte er danach den Ukrainer Dmytro Solovey, doch gegen den Briten Evan Molloy war für den WM-Fünften drei Tage nach seinem 24. Geburtstag in den Vorkämpfen Schluss mit der Hoffnung auf Bronze. Vanessa Wagner (J1 -57kg) und Lina Strötzel (J1 +70kg) verloren den ersten beziehungsweise die ersten beiden Kämpfe, sammelten aber wie das gesamte junge Team wichtige Erfahrungen.
Sass sichert bereits Qualifikationsplatz für Paris
Bundestrainerin Carmen Bruckmann zeigte sich sehr zufrieden: „Der Sieg von Lennart – besser geht’s nicht. Dazu waren gestern sämtliche Familien, Freunde, Kommilitonen und Teamkollegen unserer Athletinnen und Athleten da, das war gigantisch, wie auch die Halle und die ganze Veranstaltung.“ Bei zwei Grand Prix – an Ostern im türkischen Antalya und an Pfingsten im georgischen Tiflis – hofft Bruckmann, dass ihre Judoka weitere Punkte auf dem Weg zu den Paralympics sammeln.
Lennart Sass ist bereits sicher unter den besten Acht der Welt, was ausschlaggebend für die Qualifikation ist, bei Tabea Müller, Ramona Brussig und Daniel Goral sieht es gut aus. Der frühere Weltranglistenerste und Europameister Nikolai Kornhaß, 2016 Paralympics-Dritter, ist nach wie vor von seiner Knieverletzung beeinträchtigt – „da müssen wir schauen, wie wir das hinbekommen.“
Doch zunächst wollte Bruckmann – wie übrigens auch Sass, der am Vormittag noch seine Teamkolleg*innen von der Tribüne lautstark angefeuert hatte und sich dann nach dem Essen zum Mittagsschlaf verabschiedet hatte – die Vorzüge des Heim-Grand-Prix auskosten: „Ich muss jetzt nicht in den Flieger steigen, ich muss nicht reisen – ich kann einfach fünf Minuten nach Hause gehen und im eigenen Bett schlafen. Das ist wirklich ein Luxus.“
Text: Marie Berwinkel / Nico Feißt / DBS