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Dass Deutschlands Sportstätten zu viele Barrieren haben und damit Teilhabe für Menschen mit Behinderung am Sport oftmals erschweren, ist ein bekanntes Problem. Dafür braucht es finanzielle Mittel – und praktikable Lösungen. Doch der Lösungsweg gestaltet sich kompliziert. Das hat ein Forschungsprojekt der Universität Wuppertal mit dem Titel „Indikatoren der Barrierefreiheit von Sportstätten“ (IBASS) gezeigt.


Den Sanierungsstau in Sportstätten hin zur Reduzierung von Barrieren beziffert der Deutsche Olympische Sportbund auf rund 31 Milliarden Euro. Dies zeigt die erhebliche finanzielle Dimension des Problems. Doch fehlendes Geld allein ist nicht die einzige Schwierigkeit. Es geht auch um die Frage, welche Kriterien eine Sportstätte überhaupt erfüllen muss, damit Teilhabemöglichkeiten verbessert werden. Und: Ist dieser Zustand in der Praxis überhaupt erreichbar? Schließlich haben bspw. Menschen im Rollstuhl andere Bedürfnisse, um eine Sportstätte gut nutzen zu können, als Menschen mit Sehbehinderung.
 
Fest steht: Das Thema ist komplex. „Das darf aber nicht als Ausrede dienen, sich nicht mit der fehlenden Barrierefreiheit in Sportstätten auseinanderzusetzen. Es muss weit nach oben auf die Tagesordnung. Als deutsche Gesellschaft haben wir das Thema lange genug vor uns hergeschoben. Jetzt muss gehandelt werden“, betont Hans-Jörg Michels, Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes und erinnert nicht zuletzt an die 2009 ratifizierte UN-Behindertenrechtskonvention. Denn die barrierefreie Zugänglichkeit und Nutzbarkeit von Sportstätten sowie auch die Verfügbarkeit von Informationen über deren Zustand bilden zweifellos wesentliche Voraussetzungen für eine gleichberechtigte Teilnahme an Sport und Bewegung.
 
Ein wichtiger Schritt auf dem schwierigen Lösungsweg ist das Forschungsprojekt der Universität Wuppertal in Kooperation mit dem DBS und der Hochschule Koblenz. Gefördert wurde das Projekt vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft. Ziel des Projektes war die Ausarbeitung darüber, wie eine Information über die Barrierefreiheit einer Sportstätte beschaffen sein muss, damit Menschen diese beurteilen können, ohne dorthin gehen zu müssen. Dazu wurde eine umfassende Dokumentenanalyse zur Erfassung sämtlicher Kriterien mit Blick auf die bauliche Barrierefreiheit aus Leitfäden und Normen vorgenommen sowie Interviews mit 22 Expert*innen geführt. Wesentliche Erkenntnisse des Projekts: „Um eine gerechte und inklusive Sportinfrastruktur zu gewährleisten, bedarf es einer differenzierteren Betrachtung aller Nutzungsgruppen. Eine zentrale Herausforderung besteht darin, ein flexibles Informationssystem für die Nutzer*innen sowie auch Sportstättenbetreibenden zu entwickeln, das sowohl allgemeine Barrierefreiheitsstandards als auch spezifische Bedürfnisse abbildet. Die unterschiedlichen Gruppen haben teils widersprüchliche Anforderungen, was eine Priorisierung von Maßnahmen notwendig machen kann“, heißt es in der Auswertung des Forschungsprojekts.
 
Forschungsprojekt zeigt, dass es zwar nicht die perfekte, barrierefreie Sportstätte für alle gibt - doch es gibt eine richtige Richtung und Lösungswege 

„Barrierefreiheit ist mehr als eine Rollstuhlrampe“, sagt DBS-Präsident Michels. Gleichwohl sei eine Rollstuhlrampe in einer Sportstätte, die von Menschen im Rollstuhl genutzt wird, ein guter Anfang. „Das Forschungsprojekt unterstreicht, dass es die eine Lösung ebenso wenig gibt wie die perfekte, barrierefreie Sportstätte für alle. Doch es gibt eine richtige Richtung. In erster Linie kommt es darauf an, eine Sportstätte für diejenigen zugänglich und nutzbar zu machen, die dort Sport treiben. Und dafür gibt es Lösungen. Das bedeutet auch, dass hier und da Kompromisse notwendig sein werden, wenn sich Anforderungen verschiedener Nutzungsgruppen teils widersprechen“, sagt Michels und ergänzt: „Wir müssen jetzt nachhaltige Verbesserungen schaffen und den Prozess starten. Ich habe die Auffassung, dass man lieber mit gewinnbringenden Anpassungen für manche Gruppen startet, als dass versucht wird, zwingend alle Details und theoretischen Bedarfe auf einen Schlag zu berücksichtigen – und dann aufgrund der Kosten bzw. der Dimension möglicherweise an der Umsetzung scheitert.“ Er präferiere den Weg der spürbaren kleinen Schritte, die sich realisieren lassen, statt des eigentlich notwendigen großen Wurfs, der oft auch nicht gelänge, erklärt Michels.
 
Aufbauend auf die Ergebnisse des IBASS-Projekts läuft derzeit zudem die Auswertung der „NoBars“-Studie. Hier wurden Personen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen als Ko-Forschende einbezogen, mit denen Begehungen von Sportstätten stattgefunden haben. Ziel ist die Entwicklung von umfassenden Prüfsystemen für verschiedene Sportstättentypen wie Hallen, Sportplätze oder Bäder. Auch dieses Projekt wird in Kooperation mit dem DBS umgesetzt und vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft gefördert.
 
Hans-Jörg Michels: „Die wichtige Botschaft ist: Es geht voran. Die theoretischen Erkenntnisse und Erfahrungen aus den Studien sind die Basis, um schnellstmöglich auch praktische Verbesserungen zu erzielen. Uns ist bewusst, dass dies auch mit Kosten verbunden ist. Doch jeder investierte Euro dient dem Zweck und dem Ziel, dass Menschen mit Behinderung endlich ihr gesetzlich festgeschriebenes Recht auf Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und damit auch am Sport verwirklichen können“, erklärt der DBS-Präsident. Nicht zu vergessen sei auch, dass von Rampen bzw. der Vermeidung von Treppen, von automatisch öffnenden sowie breiten Türen oder klaren Strukturen im öffentlichen Raum nicht nur Menschen mit Behinderung profitieren, sondern alle. Hinzu komme die präventive Wirkung von Sport und Bewegung. Michels: „Wenn wir jetzt investieren und dafür sorgen, dass deutlich mehr Menschen mit Behinderung die Möglichkeit haben, sportlich aktiv zu sein, können wir langfristig gesehen viel Geld in der Gesundheitsversorgung sparen.“

Text: Kevin Müller / DBS

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