Die Blindenfußball-EM in Rom ist für das deutsche Team die erste und einzige Qualifikationschance für die Paralympics in Tokio
Für die deutschen Blindenfußballer könnte die Ausgangslage bei der Europameisterschaft in Rom kaum schwieriger sein. Und dennoch: Der Traum von einer Paralympics-Teilnahme lebt. Vom 17. bis 24. September geht es um eine gute Platzierung und das Ticket für die Paralympics 2020.
Mit der Partie gegen England steigt Deutschland am 17. September ins EM-Turnier der Blindenfußballer ein. Und bereits das Auftaktduell mit einem der großen Titelfavoriten hat es in sich. „Wir haben eine intensive und gute Vorbereitung hinter uns“, sagt Teammanager Rolf Husmann voller Vorfreude. „Aber wir spielen eben leider auch in einer Hammer-Gruppe.“
In Rom kommt es an insgesamt acht Spieltagen zum Wettstreit der europäischen Elite im Blindenfußball. Deutschland trifft in der Vorrunde neben England auf Titelverteidiger Russland, den ewigen Widersacher Frankreich und Aufsteiger Griechenland. Aber: Nur bei einem erfolgreichen Abschneiden winkt die Qualifikation für die Paralympics im kommenden Jahr.
Doch das ist kein leichtes Unterfangen. Ein gewisser Druck ist zu spüren. Die erste und zugleich einzige Qualifikationschance hat das Team bei dieser Europameisterschaft. Kapitän Alexander Fangmann rechnet vor: „Für unser erklärtes Ziel Halbfinale müssen wir mindestens drei der vier Gegner hinter uns lassen.“ Das würde indes noch nicht für ein Ticket nach Tokio reichen. Wer nächstes Jahr in Japan dabei sein will, muss mindestens ins Finale kommen. „Davon träumen wir alle“, fügt der 34-Jährige aus Stuttgart an. „Dass das super schwer wird, wissen wir, aber warum soll es uns an einem guten Tag nicht auch mal gelingen?“
Tokio – einmal bei den Paralympics als Sportler dabei sein – das wäre auch Alexander Fangmanns ganz großer Traum. Seit 2007, seit es die deutsche Nationalmannschaft im Blindenfußball gibt, ist er schon dabei. Eine Welt- und sechs Europameisterschaften hat er seitdem gespielt. Er hat die Entwicklung dieser Sportart hautnah miterlebt und weiß um die Rahmenbedingungen, die in Deutschland eben noch nicht vergleichbar sind mit denen beispielsweise in England, wo die Blindenfußballer sogar in die regulären Strukturen des englischen Fußballverbands eingebunden werden.
Fangmann sieht die Entwicklung hierzulande auf dem richtigen Weg, „aber im Vergleich können wir mit anderen Nationen nicht Schritt halten.“ In Deutschland bilden seit Jahren acht, neun Spieler den Kern der Nationalmannschaft. Ein U21-Nachwuchsteam etwa wie in anderen Ländern gibt es noch nicht. „Es gibt auch nicht so viele Blindenfußballer, die für die Nationalmannschaft infrage kämen. Der Aufwand, der nötig ist, um es in die Spitze zu schaffen, ist hoch. In Deutschland fehlt noch ein breiter Unterbau, die Teams freuen sich über jeden Nachwuchskicker, der Spaß am Blindenfußball hat.“ Ein wichtiger Baustein ist da die Blindenfußball-Bundesliga, die vor einigen Jahren in Kooperation mit der DFB-Stiftung Sepp Herberger und dem Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband gegründet wurde und regelmäßigen Spielbetrieb auf hohem Niveau ermöglicht.
Fangmann arbeitet als Sport-Inklusionsmanager für den Württembergischen Landessportbund. Neben Beruf, Training und den Spielen für seinen Heimatverein MTV Stuttgart muss er sich Zeit freischaufeln für Lehrgänge oder Turnierreisen mit der Nationalmannschaft. Spielerisch und taktisch habe sich das Team unter Peter Gößmann, der nach der Heim-EM 2017 in Berlin das Traineramt übernahm, enorm entwickelt, findet Fangmann. „Das Halbfinale ist für uns immer mit hohen Hürden verbunden, aber wir haben inzwischen mehr Kraft, um diese zu überwinden.“
Das Training sei professioneller geworden. Es werde intensiver Videoanalyse betrieben und mit angepassteren Trainingsmethoden gearbeitet. Das zahle sich aus. Acht Wochenend-Lehrgänge, ein Trainingslager und zwei Vierländer-Turniere hat die Mannschaft seit Januar absolviert und dabei unter anderem Siege gegen Afrikameister Marokko und Italien gefeiert. Gegen Russland spielte Deutschland zuletzt im Mai Unentschieden, auch England konnte das Team in der Vergangenheit schon einmal schlagen.
Die zweite Vorrundengruppe setzt sich aus Italien, Spanien, Belgien, Rumänien und der Türkei zusammen. Die beiden besten Teams aus den beiden Fünfergruppen kommen ins Halbfinale. Diese werden am 22. September ausgespielt, das Finale am 24. September. „Natürlich muss viel zusammenkommen, damit wir dabei sind, aber darin liegt für mich auch der Reiz“, sagt Fangmann vor der Reise nach Italien, die durch das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat gefördert wird. „Wir haben vielleicht nicht die Mittel wie die Top-Nationen, aber wir können als geschlossenes Team mithalten. Ich bin positiv gestimmt.“
Zumal: 2013 haben es die deutschen Blindenfußballer schon mal bei einer Europameisterschaft ins Halbfinale geschafft. Als Gruppenerster wohlgemerkt. Und passenderweise in Italien. „Wenn das kein gutes Omen ist?!“
Neben der Möglichkeit, die Spiele im internationalen Livestream zu schauen, gibt es zusätzlich noch von allen deutschen Begegnungen eine Audiodeskription von Jonas Bargmann und Maurizio Valgolio live aus Rom. Zu hören ist dieses Angebot über einen Webplayer.
Quelle: Stefanie Sandmeier
Das deutsche Aufgebot für die Blindenfußball-EM:
Tor: Sebastian Themel (SF/BG Blista Marburg), Nick Leidecker (Borussia Dortmund)
Feld: Hasan Altunbas (Borussia Dortmund), Hasan Koparan (FC Schalke 04), Lukas Smirek (MTV Stuttgart), Alexander Fangmann (MTV Stuttgart), Taime Kuttig (SF/BG Blista Marburg), Alican Pektas (SF/BG Blista Marburg), Rasmus Narjes (FC St. Pauli), Jonathan Tönsing (FC St. Pauli).