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Blindentennis: Eine beeindruckende und dynamische Tennis-Variante erfreut sich wachsender Beliebtheit – 5. Blindentennis-Workshop in Köln

Ein blinder Tennisspieler mit Augenbinde schlägt einen Tennisball | Foto: Gold-Kraemer-StiftungDer Tennisball fliegt auf Bastian Kaller zu und wird schwierig zu erreichen – doch dieser führt kurzerhand den Schläger hinter dem Rücken her und spielt den Ball mit viel Geschick zurück auf die gegenüberliegende Seite. Ein sehenswerter Trick-Schlag, der im Tennissport keine Seltenheit ist. Doch Bastian Kaller ist blind und spielt nur nach Gehör. Dazu ist er in seiner Startklasse B1 aktueller deutscher Vizemeister im Blindentennis.

Blindentennis? Richtig, Blindentennis! Erst seit 2016 gibt es diese junge Tennis-Variante in Deutschland, Initialzündung war ein Workshop, organisiert von Gold-Kraemer-Stiftung (GKS) und Deutschem Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV). Inzwischen hat bereits der fünfte Workshop dieser Art in der Tennishalle Köln-Weiden stattgefunden. 45 Trainer*innen und Spieler*innen waren vor Ort, darunter auch zehn Anfänger*innen aus ganz Deutschland, die die Sportart ausprobieren wollten. „Selbst viele blinde Menschen können erstmal gar nicht glauben, dass Tennis für sie überhaupt in Frage kommen könnte. Doch wenn sie dann mal Blindentennis gespielt haben, fangen sie schnell Feuer“, berichtet Niklas Höfken, sozusagen der menschliche Motor der Blindentennis-Bewegung in Deutschland. Höfken betreut für die Gold-Kraemer-Stiftung sowie den Deutschen Tennis Bund (DTB) das Projekt „Tennis für Alle“ und ist darüber hinaus auch Cheftrainer der Rollstuhltennis-Nationalmannschaft im Deutschen Behindertensportverband.

„Für viele sehbehinderte und blinde Menschen ist das eine richtig coole Sportart. Blindentennis ist sehr dynamisch, dazu auch sehr sicher. Wer nicht komplett blind ist, kann außerdem seinen Sehrest einsetzen und muss keine Dunkelbrille anziehen. Gespielt wir daher in vier verschiedenen Klassen“, erklärt Höfken, der überzeugt ist: „Blindentennis wird weiter wachsen.“ Schon seit dem Auftakt in 2016 hat sich viel getan. Ein Jahr später hat der DTB Blindentennis als offizielle Disziplin anerkannt, 2018 fanden die ersten deutschen Meisterschaften statt. Inzwischen beziffert Niklas Höfken die Anzahl an Blindentennis-Spieler*innen hierzulande auf rund 80.

Sogar eine Weltmeisterin kommt aus Deutschland. Charlotte Schwagmeier hat 2017 und 2019 den Titel in der Startklasse B3 gewonnen. „Ich stand jeweils gegen eine Mexikanerin im Finale und habe mich durchgesetzt. Von 2017 bis 2019 war es schon ein großer Sprung, das Niveau ist deutlich höher geworden“, sagt Schwagmeier, die ihren Titel gerne in 2021 verteidigen möchte. Weltweit wird in über 20 Nationen Blindentennis gespielt, Vorreiter ist Großbritannien, wo es sogar eine regionale Turnierserie gibt. Charlotte Schwagmeier hat eine Restsehkraft von unter zehn Prozent und spielt schon Tennis, seitdem sie vier Jahre alt ist. 2016 kam Blindentennis hinzu. „Dadurch, dass ich schon so viele Jahre aktiv bin und im Verein in der Damen-Mannschaft Tennis spiele, habe ich große Vorteile in Sachen Ballgefühl und Spielverständnis“, sagt Schwagmeier, die zudem Trainingseinheiten für Kinder gibt und auch beim Blindentennis-Workshop in Köln als Trainerin unterstützte. Dabei gab sie ihre vielfältigen Erfahrungen an die Neulinge weiter. „Wir haben an der Technik gearbeitet und am Spiel nach Gehör.“

Freilich spielt das Gehör beim Blindentennis eine essenzielle Bedeutung. Gespielt wird daher mit einem Schaumstoffball, der das Spiel einerseits langsamer macht, andererseits im Inneren einen Plastikball mit rasselnden Metallstiften enthält. In der Startklasse B1 der blinden Spieler*innen darf der Ball dreimal aufkommen, bevor er zurückgespielt werden muss. „Dadurch gibt es bis zu vier akustische Rückmeldungen, mit denen man sich die Flugbahn des Balles vorstellen kann. Diese Vorstellungskraft ist sehr wichtig, damit man irgendwann nach System spielen kann und ein getroffener Ball nicht bloß ein Zufallsprodukt ist“, erklärt Niklas Höfken. Er hat sich inzwischen zu einem gefragten Experten im Blindentennis und in der Trainingssteuerung entwickelt. „Ich versuche, viele Dinge aus dem sehenden Tennis auf Blindentennis zu übertragen“, sagt Höfken. Da es noch nicht viele Informationsquellen gibt, lautet das Motto: Learning by doing. Und am Anfang gehe es ohnehin zunächst nur um ein Ziel: den Ball zu treffen.

Das hat auch Susanne Groneberg erlebt. 1997 wurde die sehbehinderte Athletin Europameisterin im Para Biathlon, gewann ein Jahr später bei den Paralympischen Spielen in Nagano zweimal Bronze. 2016 war sie als Teilnehmerin bei der Geburtsstunde von Blindentennis in Deutschland dabei. „Anfangs braucht man Geduld und es dauert schon eine Weile, bis man den Ball vernünftig trifft. Aber dann macht es einfach richtig Spaß. Es ist fantastisch, dass man auch mit starker Sehbehinderung Tennis spielen kann“, berichtet Groneberg, die bei den deutschen Meisterschaften in diesem Jahr in der Startklasse B2 auf dem ersten Platz landete. Und Groneberg hat ehrgeizige Pläne. „Ich will mich technisch noch mehr verbessern und irgendwann auch international spielen“, sagt die Kölnerin, die nur wenige Meter von der Anlage des Kölner TC Weiden entfernt wohnt und dort jeden Freitagabend trainiert.

So versammeln sich beim Blindentennis Teilnehmer*innen mit unterschiedlichsten Voraussetzungen und Restsehstärken – eine Weltmeisterin, eine Paralympics-Medaillengewinnerin im Para Biathlon, erfahrene Spieler*innen wie Anfänger*innen. „Teilweise haben die Neulinge noch nie zuvor Sport gemacht, sind noch etwas ängstlich und sehr vorsichtig“, sagt Niklas Höfken und ergänzt: „Es ist einfach schön zu verfolgen, wenn sie sich dann mehr zutrauen, sich auf dem Platz bewegen und Spaß am Sport finden.“ So ist Blindentennis nicht nur eine beeindruckende Sportart, sondern bietet darüber hinaus einen Zugang für Menschen mit Behinderung zu Sport und Bewegung.

 

Informationen zum Blindentennis:

Blindentennis wurde 1984 in Japan vom blinden Studenten Miyoshi Takei erfunden. Dazu konstruierte er einen Tennisball, der Geräusche produziert, wenn er aufspringt und geschlagen wird. Daraus entwickelten sich Blindentennis-Bälle, größere Soft-Bälle, die in der Mitte aufgeschnitten werden und einen Plastikball mit rasselnden Metallstiften enthalten. 2014 wurde die „International Blind Tennis Association“ (IBTA) gegründet, in der mehrere Länder aus allen Teilen der Welt Mitglieder sind – seit Anfang 2017 auch Deutschland. Seit 2017 findet jährlich ein von der IBTA organisiertes internationales Turnier, vergleichbar mit einer Weltmeisterschaft, statt.

In Deutschland war die Geburtsstunde von Blindentennis im Mai 2016 beim „1. Deutschen Blindentennis-Workshop“ von Gold-Kraemer-Stiftung (GKS) und Deutschem Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) in Köln. Blindentennis ist seitdem fester Bestandteil der Initiative „Tennis für Alle“ der GKS, die vom Deutschen Tennis Bund und der Aktion Mensch gefördert wird. Grundsätzlich gelten die gewöhnlichen Tennis-Regeln, allerdings gibt es einige Anpassungen. Die Spieler*innen werden entsprechend ihrer Sehbehinderung in die Startklassen B1 bis B4 eingeteilt. Hier variieren sowohl die Spielfeldgröße als auch die Anzahl des Aufspringens des Balles. In den Klassen B1 und B2 darf der Ball jeweils bis zu dreimal aufkommen, in der B3 zweimal und in der B4 einmal. Vor jedem Ballwechsel findet eine standardisierte Kommunikation zwischen den Spieler*innen statt. Die Spielfeldbegrenzung erfolgt durch taktile Linien, die sich unterschiedlich anfühlen, je nachdem, um welche Linie es sich handelt. Beim Blindentennis kommen verkürzte Schläger zum Einsatz.

Weitere Informationen gibt es auf der Homepage des Deutschen Tennis Bundes.

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